Zwei Millionen mehr? Strompreise „dramatisch“ für Firma Klingel aus Waiblingen

Strom wird deutlich teurer, und das treibt nicht nur Privatleute um. Auch Unternehmen sind in Sorge. Gerade erst hat der Toilettenpapierhersteller Hakle Insolvenz beantragt und das mit den Energie- und Rohstoffpreisen begründet. Auch der Automobilzulieferer Klingel aus Waiblingen warnt vor einer „dramatischen“ Lage.

Klingel muss sich mit Strom fürs nächste Jahr eindecken – die Zusatzkosten könnten im Millionenbereich liegen. Für die Firma mit 250 Mitarbeitern, die ausschließlich in Hohenacker produziert und nach eigenen Angaben einen Jahresumsatz von 45 Millionen Euro erzielt, wäre das „ganz schwierig“, so Geschäftsführer Ulrich Klingel. Denn der Automotive-Markt sei hart umkämpft.

In den 25 Jahren, in denen er im Unternehmen ist, sei der Energiepreis nie ein Thema gewesen, so Ulrich Klingel. Natürlich sei immer ein unternehmerisches Risiko dabei, für ein oder zwei Jahre Strom einzukaufen. Doch da sei es um Preisunterschiede von wenigen Cent pro Kilowattstunde gegangen. Nun seien mehrere Hundert Prozent Aufschlag zu befürchten.

Die Firma kauft die Hälfte des benötigten Stroms fix ein, die andere Hälfte am Spotmarkt, an dem sich die Preise ständig ändern. Um fast 600 Prozent sind die Preise für Jahresverträge für 2023 innerhalb von zwölf Monaten gestiegen, so die Energie-Dienstleistungsfirma First Energy GmbH, die Daten der Europäischen Energiebörse in Leipzig auswertet. Zuletzt lagen sie bei um die 500 Euro pro Megawattstunde – vor kurzem wurden aber auch Spitzenpreise von 1000 Euro erreicht. Dann fielen sie plötzlich wieder stark.

Energiekosten sind bei Klingel schon um 100 Prozent gestiegen

Für die Firma Klingel würde aber auch ein Arbeitspreis von umgerechnet etwa 50 Cent pro Kilowattstunde Mehrkosten von zwei Millionen Euro pro Jahr bedeuten, so der Geschäftsführer. Dabei sind die Energiekosten für das Unternehmen in diesem Jahr bislang schon um 100 Prozent höher als 2021, so Ulrich Klingel. „Das kann man nur zu einem gewissen Teil an die Kunden weitergeben, aber nicht vollständig.“

Die Firma Klingel ist nach seinen Angaben ein „Schlüssellieferant für die Automobilindustrie“. Sie liefert Teile für Verbrennermotoren, Hybrid-Fahrzeuge, aber auch für Automatikgetriebe, Fahrwerksteile für Elektro-Autos oder Teile für Lenkungen. „Es wäre für Klingel, aber auch für die Autoindustrie eine Katastrophe, wenn wir nicht mehr arbeiten könnten“, sagt der Geschäftsführer. Auch für E-Bikes stellt Klingel in Hohenacker Teile her. Die Auftragslage des Unternehmens sei gut.

Noch keine Kurzarbeit vorgesehen

Kurzarbeit ist bei Klingel momentan noch nicht vorgesehen, sagt Personalleiter David Czech. Aber man könne nicht absehen, welche Konsequenzen die Strompreise noch haben. „Da machen wir uns große Sorgen.“ Und es sei auch schwierig, das Geld für höhere Löhne zu erwirtschaften, wenn man so viel mehr für Energie ausgeben müsse. Man wolle nicht „den Untergang des Abendlandes“ an die Wand malen, so Czech, sehe aber ein „echtes Problem für den gesamten Industriestandort Deutschland“.

Deswegen sei dringend politische Unterstützung nötig – so wie in der Corona- Pandemie, als man „gute Hilfen“ bekommen habe. Klingel habe drei Monate Kurzarbeit angemeldet und damit Personalkosten gespart. Auch die Migrationspolitik habe geholfen, neue Leute konnten angestellt werden, so Czech. Da könne man sich nicht beschweren – aber bei den Strompreisen habe man das Gefühl, dass das Ausmaß der Krise noch nicht erkannt wurde.

Ulrich Klingel: „Die Industrie erwartet klare Signale“

Ob das jüngst von den Regierungsparteien verabredete dritte Entlastungspaket hilft, sei aus seiner Sicht noch zu unklar, sagt Geschäftsführer Ulrich Klingel. „Die Industrie erwartet klare Signale.“

Die Ampel hat sich am Wochenende darauf geeinigt, „Zufallsgewinne“ durch die hohen Strompreise abzuschöpfen. Wie auch Privathaushalte sollen kleinere Unternehmen für einen gewissen Basisverbrauch an Strom weniger bezahlen müssen.

Ulrich Klingel wünscht sich auch eine Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis. Momentan ist der Mechanismus für Strom in der EU laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) so: „Kraftwerke, die billig Strom produzieren können, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind zum Beispiel Windkraftanlagen. Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem zuletzt geschalteten und somit teuersten Kraftwerk, um die Nachfrage zu decken – derzeit sind dies die Gaskraftwerke.“ Die EU-Kommission will den Strommarkt deshalb reformieren.

Keine Solaranlage auf dem Dach: Klingel schließt „eigene Fehler“ nicht aus

Die Waiblinger Firma Klingel selbst produziert keinen Strom. Man bekomme gerade auch gar keine Photovoltaik-Module, so Ulrich Klingel. Er wolle hier aber „eigene Fehler nicht ausschließen“, so der Chef auf Nachfrage.

Dafür sei die Energieeffizienz im Unternehmen in den letzten Jahren verbessert worden. Maschinen liefen dann, wenn der Strom günstiger sei, also etwa nachts. Die Abwärme der Maschinen werde zum Heizen genutzt. „Aber trotzdem fühlt man sich ohnmächtig angesichts der Lage am Energiemarkt.“